Der TTIP-Verrat

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Am gestrigen Mittwoch, dem 8. Juli 2015, hat das Europäische Parlament mit großer Mehrheit beschlossen, dass die Verhandlungen zwischen der EU und den USA über das Freihandelsabkommen TTIP nunmehr offiziell aufgenommen werden sollen. Wie um die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen, haben die fünf Europaabgeordneten des „Weckrufs“ (jetzt: „Neustarts“), die dieser Tage aus der AfD ausgetreten sind, zusammen mit den Abgeordneten von CDU, SPD und FDP mit „Ja“ gestimmt. Die übergroße Mehrheit der AfD-Wähler kann dies nur als Verrat empfinden.

Im Kampf gegen die verfehlte Euro-Rettungspolitik hat sich die AfD als eine Partei gegründet, die in der Verteidigung des Rechtsstaats sowie der Interessen der Bürger und Steuerzahler gegenüber einer korrupten Polit- und Finanzelite, die sich längst in die Postdemokratie verabschiedet hat, ihren Daseinsgrund hat. Alle bisher über den Verhandlungsverlauf, die Ziele und Absichten des Freihandelsabkommens TTIP bekannt gewordenen Fakten sprechen dafür, dass hier gegen genau dieselben elementaren rechtsstaatlichen Grundsätze und nationalen Souveränitätsrechte in klassischer Hinterzimmerpolitik verstoßen werden soll, zu deren Schutz und Verteidigung die AfD sich gegründet hat.

Indem Bernd Lucke, Hans Olaf Henkel und (leider auch) Joachim Starbatty nun pro TTIP gestimmt haben, haben sie den Gründungsimpuls der AfD im Kern verraten, man könnte auch sagen: sie haben ihr wahres Gesicht gezeigt. Da hilft es auch nichts, sich auf die von den TTIP-Verhandlungsführern aufgrund massiver Proteste zuletzt in Aussicht gestellten Verbesserungen bei den demokratiepolitisch hoch problematischen Schiedsgerichtsklauseln zu berufen. Diese kosmetischen Entschärfungen haben vor allem Feigenblattfunktion und beheben nicht das Grundproblem der Schiedsgerichte: die Aushebelung staatlicher Souveränität durch international agierende, keinem demokratischen Gemeinwesen verpflichtete Konzerne. Wer im Ernst glaubt, die schon jetzt von der NSA bis auf die Knochen durchleuchteten Europäer würden in diesen Verhandlungen am Ende nicht von den USA über den Tisch gezogen, der ist zu naiv für die Politik.

Weder unseren Freunden vom Weckruf noch ihren neuen Verbündeten in den Mainstream-Parteien sollten wir jedoch Naivität unterstellen. Vielmehr streut man dem Wahlvolk in altbewährter Manier Sand in die Augen, um durch Symbolaktionen und geschickte PR „den Menschen ihre Sorgen zu nehmen“, wie es im zynischen Jargon der Regierenden heißt. Das von Hans Olaf Henkel und Bernd Kölmel im Stil der Altparteien vorgebrachte Argument, erst solle man das Abkommen ausverhandeln lassen und erst danach darüber urteilen, ist nichts als Augenwischerei: Liegt es erst einmal fertig vor, dann kann es nur noch pauschal angenommen oder ablehnt werden. Und dass die üblichen Mehrheitsbeschaffer im Parlament die EU-Kommission in dieser wichtigen Frage nicht im Stich lassen werden, das wissen die Herren Henkel und Kölmel genau.

Auf dem Europaparteitag der AfD im März 2014 in Erfurt haben Beatrix von Storch und ich – schon damals unter wütendem Protest von Hans Olaf Henkel – mit einem Änderungsantrag dafür gesorgt, dass es in unserem Europawahlprogramm hieß: „Kein Freihandelsabkommen zu Lasten Europas“. Es ist hoch erfreulich, dass Frau von Storch und Marcus Pretzell gestern in Straßburg die Fahne der AfD hoch gehalten und gegen die Aufnahme von Verhandlungen über TTIP gestimmt haben.

 

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